IM SPOTLIGHT: 25 FRÜHLINGE FÜR EIN FESTIVAL
Das Festival Les Printemps de Sévelin feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Bestehen. Ein Vierteljahrhundert, in dem Hunderte von Choreograf:innen, Künstler:innen und Tänzer:innen aufgetreten sind. Philipp Saire, Hauschoreograf von Sévelin 36, gestaltet die Jubiläumsausgabe gemeinsam mit Valérie Niederoest, die fortan mit ihm den Veranstaltungsort leitet.
Ayelen Parolin, eine grosse argentinische Choreografin, die in Belgien lebt und nach Freiheit strebt, oder der Tscheche Viktor Černicky, der an der Schnittstelle zwischen Zirkus und Performance steht, oder Gaston Core, der bis an die Grenzen des Lebens tanzen will – die Künstler:innen, die zum 25. Jubiläum eingeladen sind, dürften das Publikum weitgehend begeistern. Auch die bereits bekannten Baslerinnen Natascha Moschini & Marie Popall oder die Westschweizerinnen Clara Delorme oder Claire Dessimoz werden wieder antreffen. Vor 25 Jahren war es der israelische Choreograf Barak Marshall, der im Herbst 1998 das Highlight der ersten Ausgabe des Festivals Les Printemps de Sévelin darstellte. Damals hiess die Veranstaltung noch Festival für zeitgenössischen Tanz. "Kraft, Intensität, Vitalität. So etwas hat es in Lausanne noch nie gegeben", hiess es in einem damaligen Artikel des Tanzkritikers Jean-Pierre Pastori. Eine explosive Performance des Genfer Choreografen und Tänzers Marco Berrettini hatte das Publikum ebenfalls fasziniert, das sich über die statische Seite einer Figur wunderte, die nicht tanzte. Das Festival, das im Frühjahr den internationalen Kompanien und im Herbst den Schweizer Kompanien gewidmet war – ein relativ anstrengender Turnus für die Organisatoren – wurde später unter dem Namen Les Printemps de Sévelin zusammengefasst, welches nun im März stattfindet. Etwas später reihte sich die Plattform Les Quarts d'Heures in den Herbst ein. Ihr Ziel ist es, junge Choreograf:innen aus der Westschweiz in ihrem Schaffensprozess zu begleiten und ihnen die Möglichkeit zu geben, zu experimentieren und ihre Vorgehensweise vor einem Publikum zu präsentieren. "Von Anfang an bestand die Absicht, jungen, aufstrebenden Kompagnien eine Plattform zu bieten, um ihre Arbeit vorzustellen. Das funktioniert ziemlich gut, denn viele der Kompanien, die man heute auf den Bühnen des Théâtre de Vidy, des Arsenic, der ADC oder anderswo in der Schweiz sieht, haben bei Les Quart d'heures angefangen. Yasmine Hugonnet zum Beispiel oder Clara Delorme, Géraldine Chollet, Marc Oosterhof oder Melissa Gay", zählt Philippe Saire auf, der den Ort 1996 gegründet hat. "In den letzten Jahren gab es eine klare Wende, weil die jungen Künstler, die aus La Manufacture kommen, eher als Choreograf:innen und Interpret:innen ausgebildet wurden. Die Gründung von jungen Kompanien hat sich also beschleunigt. Am Anfang hatten wir manchmal Schwierigkeiten, Projekte zu finden, jetzt kommen viele Vorschläge von diesen Jungkompanien und wir müssen aufpassen, dass wir auch Platz für andere wie die aus dem Genfer Juniorballett schaffen." Von Anfang an bestand das Konzept des Festivals darin, ein breites Spektrum an zeitgenössischen Tanzstilen zu präsentieren. "Ziel des Festivals war es, noch unbekannte Choreograf:innen und Kompanien in die Westschweiz zu bringen, und dem Publikum in der Region die Möglichkeit zu geben, ein breites Spektrum des Tanzes zu entdecken. Danach entstand die Idee, nationale und lokale Kompanien zu mischen. Laut dem Bundesamt für Kultur, das 2013 den Sonderpreis Tanz verliehen hat, ist der Ort zu einer der wichtigsten Plattformen für die Entwicklung und Anerkennung des zeitgenössischen Tanzes in der Schweiz geworden. Heute haben sich in der Westschweiz weitere Bühnen für den Tanz geöffnet, was Philippe Saire sehr positiv sieht: "Ich finde, je mehr zeitgenössischen Tanz man präsentiert, desto besser ist es! Im Übrigen spreche ich nicht von Konkurrenz, sondern von gegenseitiger Inspiration. Meiner Meinung nach werden die Leute umso mehr Lust auf Tanz haben, je mehr sie davon sehen. Wir wissen, dass wir eine Sprungbrettfunktion für aufstrebende Kompanien haben, die dann woanders auftreten können." Wim Vandekeybus, Jan Fabre, Jan Martens, Noemi Lapzeson und Boris Charmatz haben dem Festival seinen Glanz verliehen und ein Publikum angezogen, das nach und nach zu wahren Experten wurde. "Am Anfang dachten wir, dass Stars des zeitgenössischen Tanzes wie Wim Vandekeybus oder Jan Fabre bekannt seien, aber die Zuschauer:innen in der Region kannten sie noch nicht."
In 25 Jahren haben rund 288 Künstler, davon 133 aus der Schweiz, die Printemps de Sévelin 36 mit einem Budget zwischen CHF 320’000 und 350’000 pro Ausgabe gestaltet. "Das Touren von Kompanien wurde bereits komplizierter vor Covid und dann dem Krieg in der Ukraine, welche die Situation noch schwieriger machen», bestätigt Philippe Saire. «In Frankreich haben einige Träger ihr Budget um die Hälfte gekürzt. Es ist eine schwere Zeit, weshalb es so wichtig ist, wieder in den Zuschauerraum zurückzukehren, um gemeinsam Emotionen zu erleben. Sich zu unterhalten, «se divertir», also etymologisch woandershin gezogen zu werden), zu etwas, das uns bewegt. Und der Tanz hat diese Funktion, die für mich darin besteht, uns sensibel zu machen und zu halten».
Vom 8. bis 25. März feiern Les Printemps de Sévelin den Tanz mit den Nachbarn des Viertels, darunter Les Docks, der Skatepark und die EPSIC. Ein Battle all style unter der Leitung von Jenny Lacher, das im Sévelin 36 stattfindet (18. März). Zudem gibt es In-Situ-Performances von Clara Delorme, Géraldine Chollet, Mélissa Guex, Sarah Bucher und Baptiste Cazaux.